Gegen Blutkrebs! Meine Stammzellspende

Blogpost #2 - Es wird konkret

Ein paar Jahre gingen nach der Kartierung ins Land. Meine drei Söhne wuchsen in der Zwischenzeit zu Teenagern heran. Sie sind gesund. In meiner Familie sind fast alle Menschen gesund. Ich selbst bin beinahe lächerlich gesund, und das ist auch gut und schön so. Natürlich habe ich schon Menschen an den Krebs verloren, wer hat das nicht. Ist Krebs nicht allgegenwärtig in unserer Zeit?

 

Ich habe selbst nicht erleben müssen, dass ein Kind diese furchtbare Krankheit erleidet, und ich habe den Wettlauf gegen die Zeit, um einen passenden Spender zu finden, nie selbst mitmachen müssen. Wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren, das weiß ich allerdings. Wie sehr man sich wünscht, diesem Menschen das Leben zurückgeben zu können, das weiß ich. Und wie machtlos man sich fühlt, wenn es nicht gelingt.

 

In dieser Zeit, in der wir leben, passieren so viele schreckliche Dinge in unserer Welt, die mich aufrütteln und die ich nicht begreife. Große Dinge mit Auswirkung auf die ganze Erde. Und es sterben Menschen. Ständig sterben Menschen. Das ist nun mal so. Oft will ich helfen, aber ich weiß nicht, wie. Oft steht mir auch das Misstrauen oder die Angst im Weg.

 

Dann kam vor einigen Wochen plötzlich Post von der DKMS. Es war ein größerer Umschlag mit einem Außenumschlag, auf dem stand, ich solle bitte zuerst diesen Brief lesen, bevor ich das Päckchen öffne.

 

Darin hieß es: 

„Erfreulicherweise hat sich jetzt herausgestellt, dass Sie mit einem Patienten, für den ein Stammzellenspender gesucht wird, in mehreren Gewebemerkmalen übereinstimmen. Dieser Befund bedeutet, dass Sie für den Patienten in die engere Wahl als möglicher Stammzellenspender kommen.“

 

Mit diesem Satz waren sämtliche Bedenken, die ich jemals gehabt haben könnte, weggewischt. Wenn in meinem Blut etwas ist, das einem anderen Menschen das Leben retten kann, gibt es keinen Grund, es ihm nicht zu geben. Völlig ausgeschlossen, da Nein zu sagen. Auch eine Operation unter Vollnarkose ist da nur ein kleines Opfer. Aber dazu später noch mehr.

 (Und: Das ist kein Muss. Jeder Mensch darf Nein sagen.)

 

Ich weiß, wie mir die Knie weich wurden. Diese Nachricht bedeutete ja noch lange nicht, dass ich tatsächlich diejenige sein würde, die für den Menschen passt. Aber ich spürte sofort in mir den Wunsch, dass ich es bin. Es ist schade, dass mir dafür nur Wörter einfallen, die kitschig oder schwülstig klingen mögen. Beim Schreiben von Romanen wird man da schon mal darauf hingewiesen, dass man in die Klischeefalle gerate. Aber Klischees bilden sich, weil sie wahr sind. Das ist so, wenn es um Familiengeschichten geht, das ist in Märchen so, in Heldenreisen, in der Politik. Wo man hinsieht: Klischees. Aber zurück zum Thema.

 

Das Wort, das mir als erstes einfiel: Eine Gnade. Es ist ein Geschenk des Himmels, wenn man für jemanden auf diesem Weg Lebensretter sein kann. Man könnte auch sagen: Es ist ein Wunder. Oder Fügung. Oder einfach unverhofftes Glück. Ich kann nicht wirklich in Worte fassen, wie es sich anfühlt, mit einer Spende von ein bisschen Blut das Leben eines Menschen verlängern zu können.

 

An dieser Stelle ein winziger Exkurs, der sich geradezu aufdrängt: Natürlich geht es nicht immer gut. Statistisch gesehen – aber lassen wir die Statistik doch beiseite. Eine der Ärztinnen, mit denen ich inzwischen gesprochen habe, sagt: „Wissen Sie, das Glas ist halbvoll. Nicht halbleer.“ Und damit hat sie so recht. Mit jedem Jahr, das vergeht und in dem die Forschung voranschreitet, mit jedem einzelnen Menschen, der sich kartieren lässt, steigt die Wahrscheinlichkeit, den Krebs besiegen zu können. Ich weiß nicht, ob der Patient, der meine Stammzellen erhalten wird, dadurch wirklich gesund wird. Das kann niemand garantieren. Aber es besteht die Chance! Ich schenke ihm die Chance! Und mir wird die Möglichkeit geschenkt, es zu tun. Weil ich das passende Blut habe. 

 

Aber ich galoppiere voraus.

 

In jenen Tagen saß ich fassungslos vor dem PC und wollte nicht glauben, was ich in den Nachrichten hörte und las. Ich habe geweint. Und in mir wuchs die Entschlossenheit in gleichem Maß an. Da war plötzlich das Gefühl, nicht mehr ohnmächtig zu sein. Ich konnte wenigstens einem Menschen helfen. Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Aber hat es das nicht doch, in gewisser Weise? Was ist ein Menschenleben wert? Es scheint nichts. Es ist alles.

 


Warum ein Blog über die Stammzellspende?

Damit Sie sich informieren können! Stammzellspende kann Leben retten.

Ich habe lange überlegt, ob ich über meine Stammzellspende bloggen soll, und letztlich gibt es viel mehr Gründe dafür als dagegen. Aus Gründen des Datenschutzes gebe ich keine konkreten Daten und Orte bekannt. Das Blog läuft nicht genau parallel zur Vorbereitung und Durchführung der Spende ... Daher nummeriere ich die Beiträge durch, und das Datum der Veröffentlichung stimmt nicht zwangsläufig mit dem überein, was ich von dem Tag berichte.

 

Aber genug der Vorrede. Wenn das Thema Sie interessiert, lesen Sie einfach weiter.

 

Wenn Sie selbst betroffen sind - als SpenderIn oder als EmpfängerIn, melden Sie sich gern bei mir.


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Kommentare: 4
  • #1

    Juliane Breinl (Donnerstag, 07 Januar 2016 12:17)

    Liebe Angelika,

    ich danke dir, dass du dich dazu entschlossen hast, diesen Teil deines Lebens mit anderen zu teilen. Dein Blogeintrag hat mich sehr berührt und es macht mich glücklich zu erleben, dass es so viele Menschen gibt, mit denen ich vernetzt bin, die aus dem Herz heraus leben. Dankbarkeit ist etwas, das das Leben aller bereichert. Ich bin jeden Tag dankbar für so vieles, dass ich es gar nicht aufzählen kann und ja, es ist eine Gnade, wenn man hlelfen darf - es ist ein Geschenk. Ich finde daran gar nichts schwülstig oder kitschig. Ich finde das absolut stimmig. Danke!

    Alles Gute,
    Juliane

  • #2

    Angelika Lauriel (Donnerstag, 07 Januar 2016 12:26)

    Liebe Juliane,
    vielen Dank! Es tut sehr gut, so etwas zu lesen.
    Alles Liebe,
    Angelika

  • #3

    Edgar Helmut Neumann (Donnerstag, 07 Januar 2016 13:12)

    Liebe Angelika, ich beglückwünsche dich zu deiner Haltung, zu deiner Offenheit und zu deinem Mut, anderen gegenüber davon zu sprechen. Ich wünsche auch dem Menschen, um den es hier geht, das Glück, dass ihm wirklich wirksam geholfen werden kann, mit wem auch immer. Lg Edgar

  • #4

    Heike Schulz (Freitag, 08 Januar 2016 10:13)

    Liebe Angelika,
    ich finde es großartig, dass du auf diesem Weg eine so wichtige Sache wie die Stammzellenspende in den Fokus rückst. Leider ist das Thema noch immer mit sehr vielen Unsicherheiten und Missverständnissen verbunden, die die Menschen davon abhalten, sich auf eine Typisierung einzulassen. Wer könnte diese besser zerstreuen, als jemand, der direkt davon betroffen ist? Ich lese dein Blog mit großer Begeisterung und hoffe, dass es den ein oder anderen Mitmenschen dazu bewegt, sich ebenfalls ein Wattestäbchen in den Mund stecken zu lassen. Nie war es einfacher, als heute. Ich kann mich an Zeiten erinnern, da musste man sich per Post ein Blutabnahme-Kit zuschicken lassen, damit zum Hausarzt gehen, sich mehrere Röhrchen Blut abzapfen lassen, und dies per Kurier zur DKMS schicken. Der Gedanke, dass man einem Menschen ein neues Leben schenken kann, ist wunderbar, und ich kann nur jedem empfehlen, mitzumachen.

    Weiter so und liebe Grüße,
    Heike